message salon rewind
- Künstler:in:
- Esther Eppstein
- Offspace:
- message salon
Am 4. April 1996 eröffnet Esther Eppstein message salon an der Ankerstrasse 6, in Zürich Aussersihl.
26 Jahre später kehrt message salon zurück an den Ort, wo alles begann.
Mitte der neunziger Jahren erwacht das Kulturleben in der Stadt Zürich, nach niedergeschlagener Jugendrevolte und Verwahrlosung im Drogenelend der späten achtziger Jahre. Die bislang mehrheitlich im Untergrund oder in besetzten Häusern aktive Alternativkultur erobert sich neue Räume, die vielen leerstehenden Ladenlokale oder Industriegelände werden von Kreativen neu definiert und belebt. Es bildet sich eine junge, neue Szene aus dem ungestillten Bedürfnis nach Freiraum, Gemeinschaft, Austausch, Experiment und Party. Noch gibt es keine Kunstdiplome und der professionalisierte und kommerziell-globalisierte Hyper-Kunstbetrieb macht sich erst gerade dazu auf, zum nächsten grossen Ding zu werden.
In diesem Zeitgeist des Aufbruchs eröffnet Esther Eppstein 1996 den Kunstraum message salon in einem leerstehenden, ehemaligen Spiegelgeschäft an der Ankerstrasse 6 im Zürcher Wohnquartier Dreieck, am Tor zu Aussersihl. Durch die Jahre der Drogenszene ist die Innenstadt und der Kreis 4 heruntergewirtschaftet und verwaist, es gibt kaum Kulturräume, Nachtleben oder Gewerbe, ausser dem Rotlichtmilieu in kleinen Ladenlokalen, mit wackeligen Klebbuchstaben beschriftet: massage salon.
message salon wird in kürzester Zeit zum hybriden Treffpunkt und Treiber einer sich neu erfindenden Zürcher Kunstszene. Alles ist Do-it-yourself und Low-Budget, man hilft sich aus, Produktionsbudgets sind unbekannt, aber man kennt jemand mit einem Transporter, oder noch besser, mit einer Videokamera. Förderung gibt es keine, mit improvisierter Bar und etwas Kunstverkauf lässt sich Geld generieren, es reicht für die Miete, um die Programme zu drucken und das Porto für den Postversand zu bezahlen.
Die Vernissage, der soziale Treffpunkt, das Kreieren einer Szene, ist von Beginn weg Esther Eppsteins künstlerisches Interesse, mit einer analogen Olympus-miu-Kamera dokumentiert sie das Geschehen und die Menschen in ihrem Salon. In der letzten Ausstellung an der Ankerstrasse, im Oktober 1997, zeigt Esther Eppstein die Fotoinstallation „Keine Tränen“, inklusive dem VHS-Video „der message salon fotoband, 49 Vernissagen, April 96 bis Oktober 97“.
Anfänglich auf drei Monate befristet, existiert message salon zwei Jahre an der Ankerstrasse, bis die von den Bewohnenden gebildete Genossenschaft Dreieck das vor dem Abbruch gerettete Wohnquartier sanieren kann. Zwischenzeitlich ist die etablierte Zürcher Kunstwelt auf die neue Szene im Kreis 4 aufmerksam geworden. In der von Bice Curiger kuratierten Ausstellung „Freie Sicht aufs Mittelmeer“ im Kunsthaus Zürich, werden Künstlerinnen und Künstler aus dem message salon Umfeld gezeigt und message salon eingeladen, sich vorzustellen.
In diesem Rahmen präsentiert Esther Eppstein im Sommer 1998 die Publikation „message salon, Ankerstrasse 6“, gestaltet von Alexis Saile und herausgegeben von Andreas Züst und Scalo Verlag, in einer Kunst-Shop-Installation auf dem Vorplatz des Kunsthauses Zürich. Teil der Publikation ist das VHS-Videotape „Der message salon Fotoband“, mit einer zusätzlichen Tonspur der Zürcher Audiokünstlerin Stini Arn.
Nach dem Ende an der Ankerstrasse ziehen Esther Eppstein und message salon weiter, in einen Wohnwagen, in ein Ladenlokal am Rigiplatz, in die Perla-Mode an der Langstrasse, danach mit dem nomadischen Residency-Projekt message salon embassy auch ins Ausland. Und nun schliesst sich der Kreis: unweit des ersten message salon an der Ankerstrasse eröffnet Esther Eppstein im Dezember 2021 den aktuellen Standort message salon embassy Réception, an der Köchlistrasse 5.
Mit der Ausstellung „message salon rewind“ zeigt Esther Eppstein im Lokal an der Köchlistrasse eine kleine Installation mit Fotos und Dokumenten, sowie das Originalvideo der Publikation mit der Audiospur von Stini Arn.
In einem „Re-Setting“ in den Schaufenstern des Ladenlokals an der Ankerstrasse, darin sich heute die Reparaturwerkstatt „defekt!“ von Techno-Pionier Styro befindet, ist während der Abendstunden in beiden Schaufenstern das Video „der message salon Fotoband, 49 Vernissagen, April 96 bis Oktober 97“ zu sehen. Anlässlich der Ausstellung publiziert Esther Eppstein ein Fanzine mit bisher unveröffentlichten Fotos von message salon Ankerstrasse 6.
Mit Dank an Valentina Stieger, Nadia Hauri, Benjamin Sommerhalder, Julia Rüegg, Videocompany, defekt! und Styro. Unterstützt von Genossenschaft Dreieck, Zürich.